CARRÉ PLANUNGSGESELLSCHAFT MBH

Aktuell

22.10.2021

Wohnen und Arbeiten

Wohnen und Arbeiten unter einem Dach ist vor allem im Schwarzwald ein Thema mit langer Tradition. In der aktuellen Netzwerk Südbaden reflektiert Klaus Wehrle wie zwei lange getrennte Bereiche wieder zusammenfinden.

Die Idee, dass Menschen Wohnen und Arbeiten räumlich miteinander verbinden, ist steinalt. Aufgrund der klimapolitischen Diskussion erfuhr dieses Thema in den letzten Jahren neue Aufmerksamkeit. Die Pandemie hat nun dafür gesorgt, dass diese Frage auch in die aktuelle politische Debatte gelangt ist und der Bereich Homeoffice sogar arbeitsrechtlich verankert werden soll.

 

Vor der Industrialisierung war Wohnen und Arbeiten unauflösbar miteinander verknüpft. Es gab kaum Mobilität, und dadurch gar keine andere Möglichkeit als in unmittelbarer Nähe seiner Arbeit wohnhaft zu sein. Dies hat zu großen Konflikten geführt, da es praktisch keinen Emissionsschutz gab und es schlichtweg unzumutbar war, neben einer Kokerei, Schlachterei oder gar einem Ledergerber zu wohnen. Erst anfangs des 20. Jahrhunderts begann man über eine Funktionstrennung nachzudenken. Diese zuerst theoretischen Überlegungen mündeten Anfang der 30er Jahre in die „Charta von Athen“, eine avantgardistische Leitlinie, gleich einer Bibel für fast alle Stadtplaner und Architekten.

 

Über allem Stand die Funktionstrennung der Nutzungsarten. Das Wohnen sollte immer losgelöst vom Arbeiten sein, außerdem sah man schon damals Flächen für die Erholung der werktätigen Bevölkerung vor. Die Menschen fanden am besten Wohnung in Hochhäusern, die in einer parkähnlichen Anlage standen, damit die Bauten mit genügend Licht und Luft versorgt werden konnten, so die Idee. Die unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereiche, sowie die öffentlichen Bauten und Flächen wurden durch große Grünzonen voneinander getrennt, die Verbindung dieser erfolgte durch mächtige Verkehrsachsen. Das Automobil stand am Anfang seines Siegeszuges und war viele Jahrzehnte das bestimmende Element im Städtebau.

 

Öl sprudelte nicht nur in Texas, sondern jetzt auch in vielen anderen Regionen der Welt aus dem Boden und dem Wachstum schienen keine Grenzen gesetzt. Ende der 60er Jahre gab es erste kritische Stimmen gegen diese Entwicklung. Und so stand eine weitere europäische Kapitale Pate für eine wichtige Institution: Rom. Der „Club of Rome“ formulierte Bedenken gegen ein ungebremstes Wachstum und der Begriff Nachhaltigkeit fand Einzug in alle Wirtschaftsbereiche und danach auch in das Bewusstsein der Politik. Fast gleichzeitig wurden die zu banalen, städtebaulichen Ergebnisse der Nachkriegsjahre heftig kritisiert. Aus der zukunftsorientierten Idee war vielerorts ein gesichtsloser, austauschbarer architektonischer Einheitsbrei entstanden und die Menschen fanden sich zum Wohnen in Ghettos wieder. Was folgte war eine Reflektion auf die klassische europäische Stadt, deren Plätze, Parks und historischen Straßenzüge.

 

Der Städtebau fand somit in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ein neues Leitbild. In diesem gab es auch ein neues Bewusstsein zum Thema Automobil und Mobilität insgesamt. Das Diktat der strengen Trennung von Wohnen und Arbeiten wird seither hinterfragt und viel differenzierter betrachtet. Durch die technischen Möglichkeiten, welche nun durch die Digitalisierung entstanden sind, gibt es ganz neue Optionen und so erfährt das Thema Wohnen und Arbeiten in vielen Professionen zum Beispiel durch das Homeoffice eine weitere Facette. Welche Vorteile insgesamt für unsere Gesellschaft durch die Verknüpfung von Wohnen und Arbeiten entstehen können, werde ich in den nächsten Kolumnen beschreiben.    

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