Aktuell
19.01.2023
Pragmatismus anstatt nörgeln und blockieren
Im regionalen Wirtschaftsmagazin "netzwerk südbaden" setzt sich Klaus Wehrle im Februar mit aktuellen Bauthemen auseinander
Nicht erst seit sich Menschen auf Straßen und Landebahnen festkleben läuft bei uns einiges aus dem Ruder. Gerade bei Streitfällen, die Bauprojekte betreffen geht oft die Form einer konstruktiven Auseinandersetzung verloren. Hasstiraden aus dem Internet übertragen sich schleichend in die tägliche Kommunikation. Das zerstört Vertrauen und schafft keine Basis für ein erfolgreiches Miteinander.
Man kann gerade beim Bauen unterschiedlicher Meinung sein. Zur Klärung von Problemstellungen, braucht es jedoch Streitkultur. Kritik und die konstruktive Befassung haben den Zweck Dinge zu verbessern. Daraus entsteht oft eine Lösung, die besser ist als der ursprüngliche Ansatz, so die Idealvorstellung eines gesellschaftlichen Dialogs. Da hat sich aber einiges geändert, häufig trifft man auf eine komplette Blockadehaltung, die nur eines zum Ziel hat, die absolute Verhinderung von Vorhaben. Für Menschen, die sich als Teil einer Gesellschaft begreifen, die ja irgendwie funktionieren muss, ist diese Totalverweigerung nur wenig verständlich.
Auch die Eingrenzung des Klimawandels ist in der Politik in vielen Staaten Europas und vor allen Dingen in Deutschland angekommen. Das kann man kaum bestreiten. Für einige Menschen geht das aber nicht weit genug und vor allem viel zu langsam. Man sollte aber nicht vergessen, dass der Umstieg Zeit braucht. Im Grunde stellen wir unsere Energieversorgung auf den Kopf und verändern unsere Gewohnheiten notwendigerweise in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen. Wenn wir auf die Umsetzung von Klimaschutzanforderungen im Baubereich blicken, dann fahren wir dort ein enormes Tempo. Diese verschärfen sich in Stufen, und stellen für die Planung, bauliche Umsetzung und Finanzierung gewaltige Herausforderungen dar. Bei allem Verständnis und großer persönlicher Sympathie für den Klimaschutz, in einigen Fällen ist einfach pragmatisches Handeln angesagt. Dass es in Deutschland möglich ist in Notsituationen auch schnell zu agieren hat der Bau der LNG-Terminals eindrücklich bewiesen. Das ist ein Beleg, dass es sehr schnell bei Baugenehmigungen und deren Umsetzung gehen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Der politische Push durch Wirtschaftsminister Habeck löste eine wichtige Initialzündung aus. Wenn wir ein solches Handeln auch auf den Ausbau der Windkraft in Südbaden übertragen, dann ist die Energiewende auch hier zu schaffen und muss kein Generationentraum bleiben. Für die richtige Weichenstallung braucht es Priorisierung und eine ordentliche Portion Pragmatismus. Vermeintlich unvereinbare Interessen kommen am Ende dabei trotzdem oft in Einklang. Ein gutes Beispiel dabei ist der Bau der Zukunftsfabrik der Wasserkraft Volk AG. Bei der wasserrechtlichen Genehmigung der Wasserkraftanlage, die das Gebäude vollständig mit regenerativer Energie versorgt, hatte man große Bedenken, dass sich die Wasserentnahme aus der Elz als schwerwiegender negativer Eingriff in Fauna und Flora erweist. Deswegen wurde ein zehnjähriges Monitoring einer Hochschule vorgeschrieben. Ergebnis war, dass in allen Bereichen die ökologischen Belange durch subtiles Vorgehen besser geworden sind. Technik und Natur können doch zusammengehen, wenn im Vorfeld die Akteure konstruktiv miteinander zusammenarbeiten und alle Beteiligten das Ziel haben ein Projekt auch umzusetzen.
Klaus Wehrle, ist Architekt in Gutach, er ist Buchautor und hat mehrfach in Fachzeitschriften publiziert. Sein Schwerpunkt ist das kostenreduzierte und nachhaltige Bauen. Wehrle ist Mitglied in div. Fachkommissionen und war 12 Jahre Mitglied im Landesvorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg und dort Vorsitzender der Strategiegruppe Klima-Energie-Nachhaltigkeit.